Walter Tydecks

 

Das »Sprechen des Äthers mit sich selbst« (Hegel)

– Fußnote / Zusatz zum Beitrag Sphäre des Begriffs und Logik der Sphäre

Hegel bezeichnet in der Phänomenologie des Geistes das Erkennen metaphorisch als das Medium, in dem das Licht der Wahrheit aufscheinen kann (HW 3.68,70). In der Begriffslogik entwickelt er nahezu mathematisch einen Grenzübergang, der von den einzelnen Verknüpfungen der Urteile und Schlüsse zum Medium führt, in dem sich die Unendlichkeit aller Verknüpfungen darstellen lässt (HW 6.362f). Dies Medium ist für ihn die Sprache, die er ausdrücklich mit dem Wasser vergleicht, d.h. dem Medium, in dem die chemischen Reaktionen erfolgen (HW 6.431).

Diesen Grundgedanken hat Hegel bereits in den Jahren bis 1805 in der Jenenser Naturphilosophie (JLMN) entwickelt, die jedoch unveröffentlicht blieb. Zu dieser Zeit gebraucht er noch den Begriff des Äthers, um mit ihm den Übergang von der Logik und Metaphysik zur Naturphilosophie zu finden. Hegel verknüpft mit dem Begriff des Äthers viele Begriffe, die später weiter auseinander gelegt wurden, jedoch im wesentlichen in dem Begriff des Mediums wiederkehren, der in der Wissenschaft der Logik im Chemismus-Kapitel entwickelt wird. Bisweilen bleibt auch noch ungenau, welche Eigenschaften an den Äther, und welche an abgeleitete Begriffe wie Raum oder Erde gebunden sind. Später hat Hegel den Begriff des Äthers nicht mehr verwandt. Sachlich ist der Begriff des Mediums an seine Stelle getreten.

Mit dem Äther entsteht die Sprache.

»Das Sichselbstgleiche ist nicht bloß sichselbstgleich, es ist ebenso absolut unendlich, es spricht sich aus; dieses Aussprechen ist sein Anderssein oder seine Unendlichkeit. Was es ausspricht, ist es selbst, was spricht, ist es selbst, und wohin es spricht, ist wieder es selbst; denn indem es sich ausspricht, oder nach seiner Unendlichkeit ist es als einfaches sich auf sich selbst Beziehendes das Andre, und diese Einfachheit, der Äther, ist die Luft, die das Sprechen aufnimmt und vernimmt, die weiche Materie, welche die entgegengesetzte Gärung der Unendlichkeit in sich empfängt und ihr Wesen gibt oder ihr Bestehen ist, ein einfaches Bestehen, das ebenso das einfache Nichts ist. Dieses Sprechen des Äthers mit sich selbst ist seine Realität« (JLMN, S. 199).

»Das Sprechen ist die Artikulation der Töne. [...] Das Erste seines (des Äthers, t.) Sprechens ist, dass er sich zum Sprechenden macht, und ist sein erstes Wort; daß er sich zum Erzeuger macht, ist seine erste Erzeugung. Diese Kontraktion der Gediegenheit des Äthers ist das erste Moment des negativen Eins, des Punkts« (JLMN, S. 200).

Aus dem Äther gehen Raum, Zeit und Bewegung hervor. Die Zeit gibt die Wiederholung:

»Die Zeit auf diese Weise als unendlich, in ihrer Totalität nur ihr Moment, oder wieder ihr erstes seiend. [...] Eine Wiederholung des Hin- und Hergehens, welche unendlich viel ist, d.h. nicht das wahrhaft Unendliche; die unendlich häufige Wiederholung stellt die Einheit als Gleichheit des Wiederholten dar, welche Gleichheit nicht an diesem Wiederholten, sondern außer ihm ist. Das Wiederholte ist gleichgültig gegen das, dessen Wiederholtes es ist, und für sich ist es nicht ein Wiederholtes. Die Wiederholung der Reflexion der Zeit ist zwar eine solche, in welcher jedes Momenht aus dem entgegengesetzten entsteht und also vor- und rückwärts ein Glied in dieser absolut differenten Reihe ist; aber es ist nur ein Glied; und daß es als dies bestimmte Glied unmittelbar das entgegengesetzte ist, ist die absolute Einheit der entgegengesetzten Momente« (JLMN, S. 205).

Und nur, weil es Wiederholung gibt, können Gesetze formuliert werden. Mit ihnen wird das zum Ausdruck gebracht, was sich wiederholt. Hegel zählt im einzelnen die Bewegungsgesetze von Fall, Wurf, Pendel und Hebel auf. Sie sind durchweg rein mathematisch darstellbar, können jedoch nicht aus der Mathematik begründet werden. Sie enthalten etwas, was über den leeren Raum der Mathematik hinausgeht. Das war für Hegel 1804-05 der Äther. Dessen Eigenschaften sind Kontinuität, Flüssigkeit und Klang, wobei er diese Eigenschaften erst innerhalb des Unterabschnitts über das »Irdische System« entwickelt, also an das Erdhafte gebunden sieht.

»Die Materie oder das Schwere ist so unmittelbar sichselbstgleiche Kontinuität, Raum, aber erfüllter Raum, als aufgehobene Bewegung, worin der Raum selbst aufgehoben ist. [...]
Durchaus Einzelheit, welche ebenso durchaus eine sich aufhebende Einzelheit, absolute Mitteilung ihrer Bewegung ist, als sie absolut Bewegung, Aufheben der Sichselbstgleichheit ist. Dies ist die Realität der Materie, das Element der Erde, das Element der Einzelheit, welche ihre Einzelheit in der absoluten Mitteilung ebenso unmittelbar aufheben, als sie ist, oder die absolute  Flüssigkeit, die wahrhaft reelle, irdische Materie. Diese absolute Flüssigkeit ist die Mutter aller Dinge, sie hat die Unendlichkeit, das Prinzip des Erzeugens in ihr selbst. [...]
Die Bewegung so an ihr selbst sich bewegend und als einfach sich unmittelbar aufhebend, ist ein Erzittern in sich selbst, eine Achsendrehung, in welcher der Mittelpunkt sich nicht mehr von dem Umkreise als seine Ruhe unterscheidet, sondern in welcher das Ganze Achse und Mittelpunkt ist. Diese als in sich zurückgenommene Bewegung sich bewegende Bewegung ist der einfach  Ton. Er ist  für uns  Ton, nicht für sich selbst« (JLMN, S. 261).

Erst hier und nicht bereits beim Äther denkt Hegel an das Mütterliche der platonischen Chora. Sonne und Erde verhalten sich wie Mann und Frau. Wird auch der Äther personalisiert, dann ist er eher das Väterliche.

Mit dem Übergang zum Chemismus geht Hegel dort die elementaren Stoffe durch, das sind Stickstoff, Wasserstoff und Sauerstoff (JLMN, S. 270). Als ihre übergreifende Eigenschaft ergibt sich die Wärme.

»Als das Allgemeine dieser Sphäre haben wir das Flüssige überhaupt gesetzt; es ist das Element der Bestimmtheiten oder ihre Substanz, ihr Bestehen. Der Begriff des Flüssigen, der sich realisiert hat, d.h. wie er gegen die Gestalt ist und sie ihre Momente befreit und ihnen das Bestehen gibt, ist die Wärme, und mit Recht ist daher als die imponderable Base, als immaterielle Materie der Bestimmtheiten der Wärmestoff erkannt worden« (JLMN, S. 271).

»Die Flüssigkeit der chemischen Elemente ist nicht Luft, die hier in dieser Sphäre keinen Platz hat, sie ist latente Wärme« (JLMN, S. 273).

Mit Luft und Wasser erfolgt jedoch bereits der Übergang zur Physik, an deren Anfang Hegel die vier Elemente Feuer, Luft, Wasser und Erde stellt und im weiteren dann die unterschiedlichen Typen des Erdhaften wie Kiesel, Toniges, Kalk, etc.

Literatur

Stefan Gruner: Hegels Ätherlehre – Hegel's Aether Doctrine (excerpt)
auszugsweiser Vorabdruck aus dem gleichnamigen Buch, erschienen im Verlag VDM, 2010; Link

Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Werke in 20 Bänden. Auf der Grundlage der Werke von 1832-1845 neu ediert. Red. E. Moldenhauer und K. M. Michel. Frankfurt/M. 1969-1971 (zitiert als HW); Link

Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Jenenser Logik, Metaphysik und Naturphilosophie, Leipzig 1923 (zitiert als JLMN)

Karl-Norbert Ihmig: Hegels Deutung der Gravitation, Frankfurt 1989

2014

 


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