Walter Tydecks

 

Musik aus Quecksilber und Schwefel - Aufregendes am Hof Rudolf II in Prag um 1600

Wo lassen sich die Besonderheiten der westeuropäischen Musikgeschichte besser ablesen als in Prag? Erste musikalische Handschriften gehen bis ins 11. Jahrhundert zurück. Es folgten die Kampflieder der Hussiten. Einflüsse der Volksmusik waren immer präsent. Wahrhaft außergewöhnlich sind jedoch die Ideen zur Zeit des Kaisers Rudolf II (1552 - 1612), der von 1576 bis zu seinem Tod dort regierte.

Er betrieb geradezu eine Art Anti-Politik, indem er alle politischen Aufgaben vernachlässigte und sich immer mehr in die Abgeschiedenheit seiner Burg zurückzog. Auf seine Art war er dennoch überaus aktiv. In diesen wenigen Jahrzehnten brachte er auf allen Gebieten der Künste und Wissenschaften in Prag zusammen, wer die nun 400 Jahre währende Beschäftigung mit Aristoteles und der Naturforschung zu Ende führen und an die Schwelle einer neuen Zeit bringen konnte. Das waren nicht nur die Astronomen Tycho Brahe und Johannes Kepler mit seinen Neuentdeckungen einer Sphärenmusik gemäß den elliptischen Bahnen der Planeten, sondern auch der Rabbi Löw, der später als Schöpfer des Golem verehrt wurde, der Hofuhrmacher Joost Bürgi, von dem die ältesten Logarithmen-Tafeln stammen, Maler wie Arcimboldo und Bartholomäus Spranger. Nirgendwo und nie ist besser zu lernen, was in Europa entstanden war, was hätte vielleicht auch anders möglich werden können. Wer einen lebendigen Eindruck bekommen möchte, sollte mit dem Roman von Leo Perutz "Nachts unter der steinernen Brücke" beginnen. Die Volksmusik spielt dort eine nicht unwichtige Rolle.

Und was geschah in solcher Umgebung in der ernsten Musik, damals die höfische Musik? Allen voran ist Philipp de Monte zu nennen, der in der Musikgeschichte als der Dritte neben Palestrina und Orlando di Lasso gesehen wird. Andere professionelle Musiker in Prag waren Jacob Regnart, Alessandro Orologio, Camillo Zanotti, Lambertus de Sayve, Carl Luython, Philippe Schöndorff, Nicolaus Zangius, Jaocb de Kerle, Jacob Hasse (Mehr Informationen).

Ihre Musik ist auf einigen CDs zugänglich. Ehrlich gesagt kann ich hier jedoch nicht das Aufregende erkennen, was sich in ihrer Umgebung abspielte. Und das lohnt es, näher zu betrachten.

Michael Maier "Atalanta fugiens" - eine frühe Kunst der Fuge

Da ist der Arzt Michael Maier, geboren 1569 in Kiel oder Rendsburg als Sohn eines Perlstickers, gestorben 1641 in Magdeburg. Ausgehend von der paracelsischen Medizin immer stärker interessiert an Alchemie und Philosophie, kam er 1608 nach Prag und wurde dort Leibarzt von Rudolf II. Er war befreundet mit Robert Fludd und gehörte zu einer Gruppe von Philosophen, die unter dem Einfluss von John Dee zu den Begründern der rosenkreuzerischen Ideen zählen. Sie hofften, nach dem Tod Rudolf II ein Übergewicht der protestantischen Kräfte gegen den Katholizismus organisieren zu können und den Ideen der Renaissance zu einer Wiedergeburt zu verhelfen, eine "Aufklärung im Zeichen des Rosenkreuzes" (Francis Yates) entlang einer Achse London - Amsterdam - Heidelberg - Prag.

Die alchemistischen Ideen der Renaissance waren noch überwiegend der Naturforschung und Medizin verpflichtet. Typische Vertreter wie Paracelsus oder Agrippa von Nettesheim waren Außenseiter, zogen weit herum und sammelten in ihren Werken all ihre Erfahrungen und durch eigene Beobachtungen oder durch Dritte gewonnenen Erkenntnisse über Analogien (Sympathien) in der Natur. Im Laufe des 16. Jahrhunderts fand dies Wissen immer stärker Zugang zu den Universitäten und Höfen. Dadurch vollzog sich allmählich eine gewisse Professionalisierung und engere Verbindung zur Entwicklung neuer Techniken auch in anderen Gebieten, so der Mathematik, dem Bergbau, aber auch der Musik. Zugleich drohte dies Wissen dadurch seine Unabhängigkeit zu verlieren und von den politischen Zielen der sich herausbildenden Weltmächte wie Spanien, England und Frankreich dominiert zu werden (Entstehung der bürgerlichen, mechanistischen Weltanschauung).

Um 1600 schien jedoch noch alles offen, und in der euphorischen Zeit zwischen dem Tod Rudolf II und dem Ausbruch des 30-jährigen Krieges veröffentlichte Maier 1617 sein Hauptwerk "Atalanta fugiens - philosophische Embleme über die Geheimnisse der Natur" (englische Übersetzung).

Der Titel ist Programm: Er wählt in Atalanta eine Figur aus der griechischen Mythologie, durch die sich Bezüge zur Vorstellung des alchemistischen Opus ebenso herstellen lassen wie zu den neuen Ideen der magischen Philosophen und zur Musik, in der um diese Zeit die Technik der Kanons und Fugen entstand.

Griechische Mythologie: Maier will nochmal zurück an den Ausgangspunkt, den Platon und Aristoteles zu schnell verlassen hatten, als sie entweder eigene Gründungsmythen schufen (Platon) oder ganz auf die innere Gesetzlichkeit des philosophischen Denkens vertrauten (Aristoteles). Beide suchten nach dem einen Grundbegriff oder Grundprinzip, aus dem alles zu entwickeln ist. Die griechische Mythologie geht jedoch von Konstellationen aus, in denen mehrere unabhängige Götter und Göttinnen zueinander in Beziehung treten und durch ihre Wechselbeziehung alles zum Leben erwecken. Musik aus Quecksilber und Schwefel: Quecksilber steht für den Gott Hermes (Merkur) und Schwefel für den Gott Ares (Mars), natürlich auch dem Feuergott Hephaistos (Vulkan) verwandt. Das ist deutlich etwas anderes als Musik aus apollinischer Harmonie und dionysischem kultischen Tanz.

Quecksilber und Schwefel wurden in der arabischen Alchemie als Grundprinzipien eingeführt, als dort griechische, indische und chinesische Traditionen erstmals zusammen kamen und in ein einheitliches System gebracht wurden. In ihnen zeigt sich das Yin-Yang-Prinzip. Die Griechen gingen seit Empedokles von den vier Elementen Erde, Wasser, Luft und Feuer aus, woran sich auch Platon und Aristoteles hielten, und wofür sie dann jeder auf seine Weise nochmals tieferliegende Prinzipien suchten, um die Vierheit (Quaternität) der Elemente aus einem einheitlichen Ursprung zu erklären. Für die Alchemisten waren gegenüber den vier Elementen Erde, Wasser, Luft und Feuer die beiden Elemente Quecksilber und Schwefel eine Zwischenschicht mit einer eigenen übergreifenden Bedeutung. Sie sprachen daher von philosophischen Stoffen. Durch die Einwirkung von Quecksilber und Schwefel konnten die vier Elemente in unterschiedlichster Weise in Bewegung gebracht werden (Verbrennung zu Asche, Versteinerung, Auflösung in Wasser, Verwesung zu Erde, Verflüssigung durch Destillation, Gerinnung gelöster Stoffe zu neuer Materie, Auszug durch Extraktion), wodurch dann die zahlreichen Metalle und Mineralien gefunden wurden, die von den Alchemisten oft erstmals entdeckt wurden.

Quecksilber und Schwefel spielten eine entscheidende Rolle, um einerseits das Konzept der vier Elemente nicht aufgeben zu müssen, andererseits aber aus dessen Starrheit herauszukommen und der Alchemie eine neue Entwicklungsmöglichkeit zu geben. Um 1600 war die Alchemie an den Punkt gekommen, dass nun jedoch alle ihre jahrtausendealten Wurzeln aufgegeben und über Bord geworfen wurden und die wissenschaftliche Chemie die überlieferte Alchemie ablöste, bis schließlich im 19. Jahrhundert das Periodische System der Elemente geschaffen wurde. Dort sind endgültig alle mystischen Reste der Alchemie getilgt und die Wissenschaft hat jede Verbindung zu den Künsten verloren. (Was das für die Musik bedeutete, wird am besten am Beispiel von Richard Wagner und seiner Deutung durch Nietzsche zu zeigen sein.)

Michael Maier stand an der Schwelle und hielt noch fest, was in der Alchemie entstanden war. Zum Verständnis seines Buches "Atalanta fugiens" ist an die mythische Erzählung zu erinnern: Atalanta - oft auch mit der Jagdgöttin Artemis identifiziert - war im Wald ausgesetzt worden, da ihr Vater kein Mädchen wünschte. Aufgewachsen unter Bären und Jägern war sie allen Männern an Stärke überlegen. Sie wollte der Ehe entfliehen, von der sie nur Abhängigkeit befürchtete. Wer sie heiraten wollte, musste gegen sie im Wettlauf antreten und wurde getötet, wenn er unterlag. Nur Hippomenes vermochte sie zu überlisten. Die Liebesgöttin Aphrodite gab ihm 3 magische Äpfel, die er im Wettlauf fallen ließ. Atalanta konnte sich ihrer Wirkung nicht entziehen, blieb stehen und hob sie auf, so daß er ihr entfliehen konnte und sie als Frau gewann. Voneinander entflammt vergaßen sie im Übermaß des Liebestaumels alle Vorsicht und liebten sich im Tempel der Muttergöttin Cybele. Ihre Körper erröteten, und Cybele wandelte sie voller Zorn über die Entweihung ihres Tempels in zwei Löwen, die sich nicht mehr paaren können.

Reni

Guido Reni (1578 - 1642): Atalante und Hippomenes, entstanden 1615 - 1625, dieses Bild zeigt zugleich den auch in Prag unter Rudolf II bevorzugten manieristischen Stil; Wikipedia, Urheber: Von Guido Reni - The Yorck Project: 10.000 Meisterwerke der Malerei. DVD-ROM, 2002. ISBN 3936122202. Distributed by DIRECTMEDIA Publishing GmbH., Gemeinfrei, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=157956

Aus dieser Erzählung konstruierte Michael Maier das innere Band seines Buchs. Der Zauber des Quecksilbers (des Merkurs, des Hermes, des Gottes der neuen Wege, in Atalanta jedoch weiblich und scheu gedacht, zugleich mit der Kraft der überlegenen Geschwindigkeit) verbindet sich zweifach mit der chaotischen Gewalt des Schwefels und des Drachens, des Argent Vive: erst in dem unter dem Stern der Aphrodite verlorenen Wettlauf und dann in der körperlichen Liebe im Tempel der Muttergöttin und ihrer Fruchtbarkeit. Hippomenes steht dagegen für den männlichen Schwefel. Der Schwefel stinkt, er verbrennt, löst Verfaulung aus, verdunkelt mit schwefligen Wolken, bringt in alle Metalle Verunreinigung und verhindert in allen Werken die angestrebte Vollkommenheit. Er ist eng mit dem Drachen verbunden, aus dessen Nase Schwefel strömt und mit dem Ourobouros, der drachenartigen Schlange, die sich selbst zeugt, in den Schwanz beißt und verschlingt.

Und doch wird der Schwefel zugleich in den Hain der Venus versetzt, von wo Hippomenes die 3 Goldenen Äpfel erhielt. Er gilt als der Maler aller Farben, Erzeuger aller Blumen und Blüten, und Maier ergänzt hier: als Urheber aller Klangfarben. So verhindert er die drohende Schwarz-Weiß-Sicht einer nur an rechenbaren Zielen orientierten Wissenschaft und bringt gerade das nötige Ausmaß an Unsicherheit herein, in der sich Intuition und Lebendigkeit entfalten können. Atalanta ist beglückt von der Schönheit der Goldenen Äpfel, verliert ihr Ziel - die reine Geschwindigkeit - aus den Augen und wandelt sich in diesem Moment. Der Schwefel war für die Alchemisten Symbol der geheimnisvollen Wandlungssubstanz. C.G. Jung deutet ihn in seiner Psychologie als "das treibende Moment im Bewußtsein, nämlich einerseits den Willen, ... andererseits das Getriebensein".

Und hier entstehen im Zusammenspiel alle Künste. Anders ist die Musik nicht zu denken! Maiers Buch enthält 50 Kapitel, und jedes Kapitel ein Motto, ein verdeutlichendes Emblem, eine Fuge (Hörbeispiele), sowie eine kurze Auslegung, in der philosophische, mythologische und alchemistische Ideen kunstvoll verknüpft werden. Es gilt daher als ein frühes multimediales Kunstwerk. Die kurzen, kryptischen Texte sind am besten den Kommentaren des chinesischen I Ging zu vergleichen, die Maier jedoch noch unbekannt waren.

Und damit ist die enge Verwandtschaft zur Atalanta fugiens ausgesprochen. Sie ist die in den Wald Vertriebene, die Treibende, die Schnellste auf der Flucht wie bei der Jagd, und trifft nun in Hippomenes auf eine ganz andere Art von Flucht und Getriebensein, wodurch sich aus beiden etwas Neues ergibt.

Maier deutet die letzte Wandlung von Atalanta und Hippomenes in zwei rote Löwen im Tempel der Muttergöttin positiv. Das alchemistische Opus ist in der Phase der Rubedo abgeschlossen, wenn die beiden zunächst voneinander getrennten Elemente zueinander gefunden haben und zu neuer, gemeinsamer, feuriger Bewegung finden. Sie bleiben beide nicht mehr wie zuvor, sondern wandeln sich gegenseitig. Und im Bild der Löwen finden sie zu höchster Majestät, in der sie dann ihren weiteren Weg gehen können.

Und so deutet Michael Maier die zu seiner Zeit entstehende Kunst der Fuge: Fugen beschreiben den Wettkampf von Atalanta und Hippomenes, wenn beide Stimmen einander folgen und jagen. Die Musik ist nicht nur mehrstimmig, sondern sie gestaltet, wie die Stimmen miteinander spielen und kämpfen und schließlich in Kanon und Fuge ein höheres Werk geschaffen wird, das die voll ausgereifte Lebendigkeit zeigen soll, worin die zunächst getrennten Elemente zusammen finden. Den drei Äpfeln entsprechen die drei Musikarten Musica coelestis vel divina (göttliche Musik), Musica mundana (Sphärenmusik) und Musica humana (Volksmusik).

Bei Michael Maier ist ein Musikverständnis zu finden, dass sich weit über alles erhebt, was seit 1200 in Europa allmählich an neuen Musikformen entwickelt wurde, dann aber im wissenschaftlichen Zeitalter wieder zunehmend in Vergessenheit geriet. Um im Bild zu bleiben: Es scheint so, als hätten Hippomenes und Atalanta nur für einen zerbrechlichen Moment ihr Glück gefunden und als habe danach Aphrodite ihren Schutz über Hippomenes aufgegeben, während Atalanta von einem immer übermächtiger werdenden Gott angetrieben ihren ungezügelten Kräften freien Lauf lässt, bis schließlich alles in die reinen Bestandteile von Raum und Zeit, Geschwindigkeit und Beschleunigung aufgelöst ist.

Giuseppe Arcimboldo - Farben und Konsonanzen

In ganz anderer Weise suchte Giuseppe Arcimboldo (1527 – 1593), der wenige Jahrzehnte vor der Ankunft Maiers 1576 - 1587 am Hof Rudolf II malte, magische Kräfte der Musik zu beschwören. Sein Ruhm als Maler hat sich bis heute erhalten, er gilt oft als Urvater des Surrealismus. Andere Maler in dieser Umgebung: Jan Sadeler (1550 - ca. 1600), Roelandt Savery (1576 - 1639), Bartholomäus Spranger (1546 - 1611, ab 1581 in Prag), Hans von Aachen (1552 - 1615, ab 1601 endgültig in Prag, verheiratet mit der Tochter von Orlando di Lasso), Adrian de Vries (1560 - 1626, oder Giovanni da Bologna (1524 - 1608).

Arcimboldos Bilder können wie Landkarten magischen Denkens gelesen werden. Nicht nur auf der Oberfläche zeichnet er Gesichter wie Obst- und Gemüsekörbe oder seltsame Landschaften, sondern auch im Innern sind die tiefsten Zusammenhänge verborgen. Seine Malerei ist voller Bezüge. So kam er auf die Idee, Farben und Töne in Analogie zu sehen, also eine Malerei erklingen zu lassen oder ein Musikstück sehen zu können. Arcimboldos Freund Gregorio Comanini hatte 1591 über seine diesbezüglichen Ideen berichtet:

"Was die Harmonie betrifft, so wisst ihr ja, daß sie nicht Sache des poetischen Vermögens ist, sondern der Musik, welche ihrerseits nichts mit der Malerei zu tun hat. Aber nichtsdestoweniger gesellt sich die Malerei zur Musik, wie es von ungefähr die Poesie tut. Das soll euch der von mir erwähnte Arcimboldo beweisen, welcher die Töne und die Halbtöne, das Diatessaron (Quart) und das Diapente (Quint) und das Diapason (Oktav) und alle anderen musikalischen Konsonanzen in den Farben gefunden hat, just mit jener Kunst, mit der Pythagoras dieselben harmonischen Proportionen fand. (...) In dieser Ordnung unterwiesen, fand Mauro Cremonese, der Musiker Rudolf II, auf dem Gravicembalo alle diese Konsonanzen, die Arcimboldi mit den Farben auf ein Papier gezeichnet hatte." (Comanini "Il figino overe del fine della pittura")

Arcimboldo ging von den pythagoreischen absoluten Tonverhältnissen aus. Er schrieb Farben auf ein Blatt Papier. "Alles scheint sich demnach auf den Versuch einer Notenschrift mit Hilfe übereinandergelegter Schichten von Farben zu beschränken, die nur die Höhe der Noten, nicht aber ihre Dauer und nicht einmal die Art ihrer Ausführung anzeigten." (so Lionello Levi "Arcimboldi als Musiker" in: Benno Geiger "Die skurrilen Gemälde des Giuseppe Arcimboldo", Wiesbaden 1960, S. 107) Aber es ging Arcimboldo nicht um eine neue Notenschrift, die damals noch in der Phase der Entwicklung war, sondern um "Identität oder Analogie zwischen auditiven und visiblen Elementen"

Arcimboldo war seiner Zeit voraus. 100 Jahre später hat erstmals Newton konsequent Farben und Töne gemäß ihrer physikalischen Schwingungsdauern in Verhältnis gesetzt und damit der Synästhesie eine wissenschaftliche Grundlage gegeben. Wenig später baute der Franzose Louis Bertrand Castel (1688 - 1757) ein erstes "Farbenklavier". Er war Jesuit, Mathematiker und Philosoph. Einerseits entwickelte er eine universelle Mathematik, aber die meiste Zeit widmete er sich dem Augenklavier, Farbenklavier, clavecin oculaire. Er entwarf einen zwölfteiligen Farbenkreis mit den Zuordnungen: c Blau - cis Celadon - d Grün - dis Olive - e Gelb - f Goldgelb - fis Incarnat - g Rot - gis Cramoisin - a Violett - ais Agath - h Violant-Blau. Wurde auf dem Klavier ein Ton angeschlagen, sollte eine Lampe mit der entsprechenden Farbe aufleuchten. Die technischen Verwirklichungen waren sicher unvollkommen. Und doch nahm angeregt von seinen theosophischen Studien Skrjabin diese Idee Anfang des 20. Jahrhunderts auf. Wirkliche Realisationen gelangen jedoch erst mit den Lightshows, die allerdings außer in einigen Videoexperimenten keinen Eingang in die klassische Musik fanden.

Arcimboldo

Giuseppe Arcimboldo: Feuer; Wikipedia

CD-Hinweise

Einen Überblick über die Musik am Hof Rudolf II gibt die z.B. bei MusicaBona angebotene CD:
Musica Temporis Rudolphi II, Supraphon 11 2176-2 231 mit Stücken von Alessandro Orologio, Philippe de Monte, Camillo Zanotti, Gregorio Turini, Jacobus Regnart, Jacobus Handl Gallus, Valerius Otto, Franz Sale und Matheo Flecha

Von Philippe de Monte gibt es zahlreiche CDs. Ich habe über JPC herangezogen:
Mass 'Si ambulavero' & Motets, CRD Records

Die 5 ersten Fugen von Michael Maier liegen in einer sehr schönen Aufnahme gesungen vom Trio Voxnova bei "hat ART CD 6148" vor:

Scelsi ist nach Erik Satie und Alexander Skrjabin ein weiterer moderner Komponist, der sich intensiv mit dieser frühen Musik beschäftigt hat.

Literaturhinweise

Hartmut Böhme: Die Hermetische Ikonologie der vier Elemente
http://www.culture.hu-berlin.de/HB/volltexte/texte/ikonologie.html

Karen Gloy, Manuel Bachmann (Hg.): Das Analogiedenken, Freiburg, München 2000

Jörg Jewanski: Ist C = Rot?, Sinzig 1999

Lionello Levi "Arcimboldi als Musiker" in: Benno Geiger "Die skurrilen Gemälde des Giuseppe Arcimboldo", Wiesbaden 1960

Frances Yates: Aufklärung im Zeichen des Rosenkreuzes, Stuttgart 1975

Musical life in the reign of Rudolf II,
http://old.hrad.cz/castle/historie/rud_hud_uk.html

Musikstadt Prag
http://www.congressprague2005.com/musikstadt.htm

Textsammlung zu Michael Maier "Atalanta fugiens" mit frz. Übersetzung
http://hdelboy.club.fr/atalanta_fugiens.html

© tydecks.info 2006 - - Erstveröffentlichung im Tamino-Klassikforum April 2006