Neue Ansätze der Wohlstandsmessung

Beitrag für das Nord-Süd-Forum am 18.1.2018 in Bensheim

Walter Tydecks

Neue Ansätze der Wohlstandsmessung

Einleitung

Der Wohlstand einer Volkswirtschaft wird heute am Bruttoinlandsprodukt (BIP, englisch Gross Domestic Product, GDP) gemessen. Kenngrößen dieser Art "wurden in den USA nach der Großen Depression in den 1930er Jahren entwickelt" (Martens, Obenland, 9) und waren die Planungsgrundlage des New Deal, als erstmals in einem westlichen Industriestaat die Wirtschaft mit den Mitteln der modernen Statistik und Volkswirtschaftslehre erfasst und gelenkt werden sollte. Wichtigster Vertreter war der aus Russland eingewanderte Ökonom und spätere Nobelpreisträger Simon Kuznets (1901-1985). Anders als seine Nachfolger war sich Kuznets allerdings der beschränkten Aussagekraft des BIP bewusst. Es war für ihn nicht mehr als eine erste grobe Orientierung, die im Weiteren näher zu differenzieren ist. Die Verzerrungen zeigen sich, wenn z.B. der Wohlstand in Europa gemessen am BIP mit weitem Abstand in Luxemburg am höchsten ist, gefolgt von Irland und den Niederlande. Das hat nichts mit ihrer Wirtschaftskraft und dem Wohlstand ihrer Einwohner zu tun, sondern dass sind die Länder, die mit ihrer Steuerpolitik ausländisches Geld anziehen. Diese Gelder werden beim BIP mitgezählt. Deutschland liegt im oberen Mittelfeld (Wikipedia, abgerufen am 6.1.2018).

Solange es in der westlichen Welt mit der Wirtschaft stetig bergauf ging und auch der private Wohlstand und Konsum aller Schichten in einem historisch nie da gewesenen Maß wuchs, gab es keinen Anlass, an dieser Statistik etwas zu ändern. Sie erwies sich als ausreichend für die Planung der Volkswirtschaft. Erst mit dem Einschnitt, als 1971 die USA unter dem Druck der Kosten des Vietnamkriegs die Bindung des Dollar am Gold aufgeben mussten und dadurch eine bis heute anhaltende Geldentwertung auslösten, und als mit dem Bericht über die Grenzen des Wachstums von 1972 und der Ölpreiskrise 1973 unverkennbar wurde, dass sich die klassische Industrialisierung nicht beliebig fortsetzen lässt, wird an Alternativen gearbeitet. Weder kann Wohlstand nur an geldwerten Gütern gemessen werden, noch darf der Raubbau der Natur und der Gesundheit auf Kosten der zukünftigen Entwicklung unberücksichtigt bleiben. Im Sinne der Betriebswirtschaft müssten für die zu erwartenden Folgekosten Rückstellungen gebildet und vom aktuellen Erlös abgezogen werden. Das ist nirgends geschehen und verfälscht die volkswirtschaftliche Gesamtrechnung. Niemand schätzt ab, welche Kosten z.B. beim Rückbau der Atomkraftwerke und angesichts der Klimaveränderung entstehen werden. Martens und Obenland zählen ca. 50 Institutionen auf, die national und weltweit eigene Wohlstandsmaße und Nachhaltigkeits-Indikatoren entwickeln, darunter der von der UNO erhobene Human Development Index, das Bruttonationalglück in Bhutan, der Nationale Wohlfahrtsindex für Deutschland 2.0, der Better Life Index der OECD, das Global Footprint Network, die Happy Life Years, und das Wohlstandsquartett.

Wichtige Kritikpunkte am BIP:

Für das persönliche Wohlbefinden ist das Nettohaushaltseinkommen wichtiger als das auf nationaler Ebene gemessene BIP oder Pro-Kopf-BIP. Was sagt z.B. das hohe BIP pro Kopf in Ländern wie Luxemburg, Irland oder auch den USA darüber aus, wie es den Menschen in diesen Ländern geht? Kuznets war im Unterschied zu Keynes davon überzeugt, dass bei wachsendem Vermögen die Sparquote steigt. Das Geldvermögen kann ab einer bestimmten Schwelle nicht mehr vollständig konsumiert werden, sondern wird angelegt in Finanztransaktionen, um den nominellen Reichtum weiter zu erhöhen. Je reicher jemand ist, desto weniger misst er sein Wohlbefinden an seinem persönlichen, täglichen Konsum, sondern am Geldbetrag, den er angespart und in Finanztransaktionen angelegt hat. Diese Position ist jedoch bis heute unter Ökonomen umstritten.

Das BIP soll sowohl eine Kennzahl sein, mit der staatlich die Wirtschaft im Ganzen statistisch erfasst und geplant werden kann, wie auch eine Orientierung für die wirtschaftliche Tätigkeit. Das kann radikal in Frage gestellt werden. Im Sinne des BIP gilt alles alles als positiv und wird in den statistischen Zahlenwerden zusammen addiert, mit dem Umsatz und Gewinn erzielt werden können.

"Umweltverschmutzung und -verbrauch, Wirtschaftskriminalität oder die größere Verbreitung psychischer und anderer nichtübertragbarer Krankheiten werden nicht senkend, sondern sogar als erhöhend im BIP berücksichtigt. Die Förderung und der Verbrauch von fossilen Energieträgern erhöhen das BIP. Eine Massenkarambolage auf der Autobahn erhöht in der Folge die Nachfrage nach neuen Autos und damit das Wirtschaftswachstum - aber kaum das individuelle Wohlbefinden der Betroffenen. Die Rodung der Regenwälder in Indonesien oder Brasilien steigert das BIP dieser Länder, aber nicht unbedingt den materiellen Wohlstand der einheimischen Bevölkerung, und erst recht nicht das Wohlbefinden der indigenen Völker, die in diesen Wäldern lebten." (Martens, Obenland, 11)

Allerdings ist es schwierig, das persönliche Wohlbefinden durch Umfragen zu ermitteln. So liegen z.B. beim Happy Planet Index Costa Rica, Vietnam, Jamaika, Kolumbien und Belize vorne, Irak vor Deutschland usf. Ein solches Ergebnis ist nach westlichem Selbstverständnis schlicht unmöglich. Für Martens und Obenland zeigt sich darin eine fehlende Berücksichtigung der Menschenrechte (Martens, Obenland, 22), während es für mich generell problematisch ist, auf den Aussagewert und die Vergleichbarkeit international erhobener Umfragen zu vertrauen. Es gibt Indizes, die sich wie von Martens und Obenland gefordert auf die Menschenrechte konzentrieren, so die Worldwide Governance Indicators der Weltbank und der Freedom in the World Index des in Washington ansässigen Freedom House. Ihnen wird vorgehalten, die Menschenrechte ausschließlich aus westlicher Sicht zu bewerten (siehe zur Kritik Nuscheler 2009, 57f und generell zur derzeit von den westlichen Industrienationen verfolgten Entwicklungspolitik Nuscheler 2008, 32-36).

Der mit Daten aus Deutschland erhobene Nationale Wohlfahrtsindex NWI 2.0 scheint mir am genauesten zu sein. Er wurde von der Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft / Institut für interdisziplinäre Forschung Heidelberg (FEST) und dem Forschungszentrum für Umweltpolitik der Freien Universität Berlin (FFU) 2009 erstellt und bis 2013 überarbeitet.

"Von diesen aufaddierten Komponenten werden im NWI 2.0 mehrere Faktoren subtrahiert, zum Beispiel die Kosten durch Verkehrsunfälle oder Kriminalität, aber auch Kosten für Alkohol, Tabak und andere Drogen. Diese Kosten, die im BIP als Produktionskosten positiv gewertet werden, führen zu einer Abnahme des NWI 2.0, da sie nicht als wohlfahrtssteigernd angesehen werden. Ökologische Faktoren werden durch neun Komponenten abgebildet: Ausgaben zur Kompensation von Umweltschäden, Schadenskosten aufgrund unterschiedlicher Umweltbelastungen und Ersatzkosten für den Verbrauch nicht erneuerbarer Ressourcen." (Martens, Obenland, 26)

Der Nationale Wohlfahrtsindex (NWI) 2.0

Die wichtigste Aufgabe bestand darin, anhand öffentlich zugänglicher Statistiken aussagekräftiges Material zu finden und zusammenzustellen. Das ist nicht in allen Fällen gelungen. Dennoch sind die Autoren zuversichtlich, im Ganzen einen Trend nachweisen zu können, der erkennbar von der Entwicklung des BIP abweicht.

nwi 2.0 2013

Quelle: Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 11

Während das BIP mit Ausnahme der Krisenjahre 2008-09 kontinuierlich wächst, hat sich der Wohlstandsindex in den Jahren 1998-2005, d.h. in der Regierungszeit von Schröder negativ entwickelt und ist nach wie vor von den Werten um 1999 weit entfernt. Das Ergebnis lautet daher einfach und überraschend, dass die CDU-Regierungen mehr zum Wohlstand aller Bürger beigetragen haben als SPD und Grüne. Das liegt vor allem an der Steuerpolitik der rot-grünen Regierung, die eine Verschiebung zugunsten der Privatunternehmen, Besserverdienenden und Vermögenden herbeigeführt hat. (Das wäre ein eigenes Thema wert. Von den Vertretern der rot-grünen Regierung wird in der Regel mit der Gefahr argumentiert, deutsche Unternehmen und das Geldvermögen deutscher Privatpersonen könnten das Land verlassen, wenn sich Deutschland im internationalen Vergleich nicht an die Veränderungen anpasst, die vor allem von den USA und Großbritannien ausgegangen sind. Dort haben mit Clinton 1993-2001 und Blair 1997-2007 ebenfalls Vertreter der Demokraten bzw. der Labour Party regiert.)

nwi 2.0 gini

Quelle: Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 60

Der Gini-Index misst die Verteilung des fortlaufenden Einkommens bzw. des insgesamt erreichten Reichtums in einer Gesellschaft mit einem Wert zwischen 0, wenn der Reichtum völlig gleichverteilt ist, und 1, wenn der Reichtum bei einer einzigen Person konzentriert wäre. Auf den ersten Blick sollte erwartet werden, dass in den höher entwickelten Ländern die Ungleichheit größer ist. Jedoch ist es genau umgekehrt. Im internationalen Vergleich ist bei den Einkommen eine große Ungleichheit Zeichen einer noch unentwickelten Wirtschaft: Für Namibia, Lesotho, Botswana, Sierra Leone und Zentralafrika gelten Spitzenwerte, während sich Schweden, Tschechien, Slowakei und Norwegen am anderen Ende befinden. Das liegt daran, dass bei den weniger entwickelten Ländern ein großer Teil der Arbeit unbezahlt innerhalb von Familien und Sippen erfolgt, und vor allem daran, dass nur ein sehr geringer Anteil der Gesellschaft hoch qualifiziert ist und entsprechend hohe Einkommen erzielen kann. Mit der Industrialisierung, wachsendem Bildungsgrad und größerer Mobilität in der Gesellschaft sinkt daher für die Einkommen zunächst der Gini-Index. Wenn eine Gesellschaft allen Menschen höhere Einkommen und darüber auf Dauer größeres Vermögen ermöglichen kann, erhöht das sowohl die Produktivität wie den Wohlstand insgesamt. Erst seit ungefähr 1970 kehrt sich diese Entwicklung um: In den fortgeschrittensten Ökonomien wie den USA und ihr folgend den anderen führenden Industrienationen steigt der Gini-Index wieder. Geldvermögen wird für den privaten Reichtum wieder wichtiger als Qualifikation. Siehe hierzu ausführlich die umfangreiche Studie Das Kapital im 21. Jahrhundert von Thomas Piketty, der bis ins Detail erforscht hat, wie im 20. Jahrhundert die Qualifikation zu einem verbesserten Einkommen und einem Ausgleich der Unterschiede geführt hat, bis die Entwicklung seit 1970 kippt. Im Rückblick gelten insbesondere in Westeuropa die Jahrzehnte nach dem 2. Weltkrieg als die glücklichste Epoche ihrer Nationalgeschichte, Golden Age of Capitalism, das Wirtschaftswunder in Deutschland, die Trente Glorieuse in Frankreich. Der Umschlag kann als Dekadenz-Phänomen gedeutet werden. Erklärungsversuche verweisen vor allem auf die wachsende Bedeutung der Finanzindustrie und hier insbesondere auf die weitgehend entfesselten Möglichkeiten der Geldschöpfung, die vorrangig denen zugute kommt, die über große Geldvermögen verfügen.

Wichtiger wird daher die Vermögensverteilung. Bei ihr liegt der Gini-Index weitaus höher. Im internationalen Vergleich kehren sich gegenüber der Einkommensverteilung die Verhältnisse um: Die Vermögensverteilung ist nirgends so ungleich wie in den hochentwickelten Ländern.

"Dagegen hat sich in fast allen Mitgliedsländern der OECD im Zeitraum seit 1985 die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert und ist im OECD-Durchschnitt heute auf dem höchsten Stand der letzten 30 Jahre. Insgesamt verdienten in den OECD-Ländern die reichsten zehn Prozent der Bevölkerung im Durchschnitt 9,5-mal mehr als die ärmsten zehn Prozent. Selbst in Schweden, lange Zeit eines der Länder mit der geringsten Einkommensungleichheit, erhöhte sich der Gini-Koeffizient von 0,21 (1991) auf 0,27 (2011). In Deutschland stieg er im selben Zeitraum von 0,26 auf 0,29. Im Vergleich dazu ist in Deutschland allerdings die Vermögensungleichheit weitaus größer. Mit einem Gini-Koeffizienten von 0,78 (2012) weist Deutschland hier den höchsten Wert in der Euro-Zone auf." (Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 40)

Konsumausgaben: Der Anstieg des Gini-Index (und damit der Ungleichverteilung) ist jedoch teilweise überlagert worden durch gegenläufige Tendenzen, weswegen der deutliche Anstieg 1998-2005 nur eingeschränkt ins öffentliche Bewusstsein gelangt ist. Die Auswirkungen zeigen sich jedoch deutlich an der Entwicklung des privaten Konsums. Wird der private Konsum als Maß des Wohlstands gemessen, ist das Ergebnis dramatisch. Seit 1995 verringert sich der Konsum von Jahr zu Jahr.

nwi 2.0 konsum

Quelle: Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 63

Das Wachstum des Konsums der privaten Haushalte ist bereits seit 1992 rückläufig, seit 1995 auch in absoluten Zahlen. Aber von 2001-2005 hat sich das jährliche Defizit trotz der Vergrößerung des Gini-Index wieder verringert, da es insgesamt wirtschaftlich besser ging. Diese Zahlen bestätigen den gefühlten Eindruck, dass in Deutschland seit den 1990ern die Verhältnisse für die meisten Menschen härter werden.

Ein Rückgang des Konsums kann auch positiv sein, falls überflüssige Ausgaben eingespart werden. Dennoch bewerten die Autoren den privaten Konsum insgesamt als Anzeichen für den Wohlstand, auch wenn bestimmten Konsumarten "wie das Beispiel des Fleischkonsums oder der Besitz von Zweit- oder Drittwagen" negativ sein können (Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 79).

Während der private Konsum in den 1990ern aufgrund fallender Reallöhne zurückging, fällt er seit 1999 aufgrund der Ungleichverteilung des Einkommens gemessen am Gini-Index. Je mehr jemand verdient, desto geringer wird der Anteil seiner Konsumausgaben an seinem Vermögen. Selbst bei weiter steigendem Konsum steigt der Geldbesitz stärker. Auf der anderen Seite brechen den Geringverdienern die Möglichkeiten für den Konsum weg. Daher konnte es zu dem auf den ersten Blick überraschenden Phänomen kommen, dass in einer Gesellschaft, deren Wohlstand gemessen am BIP ständig wächst, zugleich die Ausgaben für den privaten Konsum ständig fallen. "Dahinter steht die wohlfahrtstheoretische Überlegung, dass ein Einkommenszuwachs für einen armen Haushalt eine höhere zusätzliche Wohlfahrt bedeutet als ein Einkommenszuwachs gleicher Höhe für einen reichen Haushalt (Stichwort: abnehmender Grenznutzen des Einkommens)." (Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 74)

Für die Autoren würde sich in einer hochentwickelten Gesellschaft wie in Deutschland genau umgekehrt dann ein nachhaltiger Wohlstand ergeben, wenn zum einen die monetären Ausgaben für den privaten Konsum sinken, zugleich aber auch der Gini-Index zurückgeht. Das entwirft das Bild einer Gesellschaft, die sich von einem überflüssigen Konsum trennt, dessen Folgen kontraproduktiv sind (wie im Folgenden weiter ausgeführt wird), und die zugleich wieder größere Gerechtigkeit herstellt. Während das BIP vermutlich fallen würde, würde der von ihnen entwickelte Wohlstandsindex deutlich steigen. Der fallende Konsum würde mehr als kompensiert durch Befreiung von den Kosten für Umwelt und Gesundheit. Die Arbeitsleistung würde verlagert von Lohnarbeit in unentgeltliche Arbeit in Haushalt und ehrenamtlicher Tätigkeit. Das bleibt im BIP unberücksichtigt, ist aber in dem von ihnen erarbeiteten Index NWI aufgenommen.

"Ein Anstieg der privaten Konsumausgaben ist deswegen nur dann uneingeschränkt positiv zu bewerten, wenn eine absolute Entkopplung vom Ressourcenverbrauch stattfindet. Es ist zudem nicht auszuschließen, dass im Zuge einer nachhaltigen Entwicklung der private Konsum insgesamt fällt und damit auch der hier ausgewiesene Nutzen (Stichwort Suffizienz). Im Gesamt-NWI würde dies, anders als im BIP, über die geringeren Abzüge bei den Umweltkomponenten allerdings voraussichtlich kompensiert. In jedem Fall bleibt die Verringerung der Ungleichheit der Einkommensverteilung als empfehlenswerte Möglichkeit zur Erhöhung der Komponente und damit des NWI." (Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 82)

Hausarbeit Im Weiteren sind die Bereiche näher zu betrachten, die im BIP entweder unberücksichtigt bleiben oder bedenkenlos als Wohlstand angesehen werden, obwohl sie Ausdruck einer buchstäblich ungesunden Entwicklung sind.

nwi 2.0 hausarbeit

Quelle: Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 65

Insgesamt geht dank besserer Ausstattung mit Küchengeräten, Waschmaschinen, Staubsaugern etc. die Hausarbeit zurück.

"Die Ergebnisse im Bereich der eingesetzten Zeit beruhen dabei auf Daten der vom Statistischen Bundesamt durchgeführten Zeitbudgeterhebungen 1991/92 und 2001/02. Dort wurde ein Rückgang der für Hausarbeit und ehrenamtliche Arbeit pro Jahr eingesetzten Zeit der über 12-jährigen Bevölkerung von insgesamt 102 Mrd. Stunden auf 96 Mrd. Stunden zwischen den beiden Erfassungszeitpunkten 1992 und 2001 festgestellt." (Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 64)

Der Zeitaufwand für Hausarbeit wird multipliziert mit dem aktuellen Einkommen der Haushalte. Nach 1991 sind einerseits die Zeiten für Hausarbeit gesunken, andererseits aber die Löhne gestiegen und damit auch der Wert der Hausarbeit. Diese Grafik zeigt zugleich das Gesamtvolumen an Hausarbeit, das in privatwirtschaftliche Arbeit umgewandelt werden kann, falls die im Haushalt Arbeitenden in Lohnarbeit wechseln und für die Hausarbeit Dienstleister (Putzfrauen, Haushaltshilfen, Handwerker, ...) beauftragen. – Das BIP ist dagegen einseitig:

"Im BIP werden nun solche Änderungen allein von einer Seite betrachtet: der zusätzlichen bezahlten Arbeit (sowohl der Haushaltshilfe als auch potentiell der zusätzlichen Arbeitszeit der dadurch von der Hausarbeit entlasteten Person). Diese geht positiv ins BIP ein. Die andere Seite, der Rückgang der Haushaltsproduktion, wird hingegen vom BIP nicht erfasst. Diese einseitige 'Fehlberechnung' soll im NWI korrigiert werden." (Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 83)

Von der OECD wird der Anteil der unbezahlten Hausarbeit am BIP auf ein Drittel geschätzt. Er unterscheidet sich deutlich in verschiedenen Ländern. Siehe hierzu die gründliche Studie von 2011: OECD 2011.

Ehrenamtliche Tätigkeit Die ehrenamtliche Tätigkeit wird wie die Hausarbeit berechnet: Aus der Erfassung des erfragten Zeitbudgets gewichtet mit den aktuellen Löhnen. Im BIP bleibt das unberücksichtigt mit der Folge fehlender Wertschätzung für ehrenamtliche Tätigkeit.

nwi 2.0 ehrenamt

Quelle: Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 66

Das Absinken der ehrenamtlichen Tätigkeit ist nicht eindimensional zu erklären.

"In der Regel werden Steigerungen der ehrenamtlichen Arbeit als Zeichen des gesellschaftlichen Zusammenhalts positiv und Verminderungen entsprechend negativ bewertet. In Fällen, in denen Sozialleistungen auf ehrenamtliche Arbeit rückverlagert wird, kann eine Steigerung jedoch auch Ausdruck eines Abbaus von Leistungen des Sozialstaats sein. Dementsprechend kann eine Minderung Zeichen der Bereitstellung zusätzlicher Leistungen durch den Staat oder andere Träger sein." (Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 90)

Die öffentlichen Ausgaben für Bildung und Gesundheit sind (in Preisen von 2005) von 1991 bis 1998 deutlich von über 50 Mrd. € auf etwa 45 Mrd. jährlich gesunken (Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 92).

"Viele öffentliche Ausgaben sind defensiver Natur: Sie werden getätigt, um Verschlechterungen des gesellschaftlichen Wohlergehens abzuwehren. Zumindest ein Teil der öffentlichen Ausgaben im Gesundheits- und Bildungsbereich ist jedoch als wohlfahrtssteigernd anzusehen." (Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 91)

Im Ganzen liegen diese Ausgaben deutlich unter dem Wert der Hausarbeit und immer noch unter dem Wert der ehrenamtlichen Arbeit.

Langlebige Konsumgüter Können die Ausgaben für den privaten Konsum reduziert und dennoch zugleich der Wohlstand vergrößert werden? Das betrifft vor allem die Anschaffung langlebiger Konsumgüter, die für den im 20. Jahrhundert entstandenen Lebensstil in den entwickelten Gesellschaften typisch sind. In einem Wort zusammengefasst wollen die Autoren nachweisen, dass schon heute in Summe der Nutzen dieser Güter nicht mehr die Kosten deckt. Wie kann der Nutzen berechnet werden? Jeder Verbraucher wird sich fragen, ob die Anschaffung beispielsweise einer neuen Waschmaschine, einer neuen Küche oder eines neuen Autos billiger ist als die damit erzielten Vorteile, seien dies Einsparungen in der häuslichen Arbeitszeit oder bei Ressourcen wie Wasser und Strom durch Wechsel auf neue, ressourcensparende Geräte. Aber verhalten sich wirklich alle Menschen nach dem Ideal eines rational agierenden Homo Oeconomicus und können sich völlig von Modetrends, Verkaufslaunen nach Gehaltserhöhungen u.ä. freimachen? Statt die subjektiven Motive zu ergründen, folgen die Autoren konsequent dem ökonomischen Ansatz. Es gibt nur wenig verlässliche Angaben über eingesparte Arbeitszeit und eingesparten Ressourcen. Die Autoren verlassen sich daher nur auf die ökonomisch berechenbaren Abschreibungen der Geräte.

Die maßgebliche Quelle ist der 2011 veröffentliche Beitrag von Oda Schmalwasser, Aloysius Müller und Nadine Weber Gebrauchsvermögen privater Haushalte in Deutschland, der sich seinerseits wiederum auf erste Erkenntnisse der "Stiglitz-Sen-Fitoussi-Kommission zur Messung von wirtschaftlicher Leistung und sozialem Fortschritt" beruft, die "im Zusammenhang mit der Finanzkrise vom Statistikausschuss der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD)" gegründet worden war (Schmalwasser u.a., 566).

Als langlebige Gebrauchsgüter gelten Konsumgüter, deren Nutzungsdauer mindestens ein Jahr beträgt. Wohnungen, Häuser und Wertanlagen wie Goldbarren oder Antiquitäten werden nicht mitgerechnet. Gemeint sind Möbel, Teppiche, Küchen und Kücheneinrichtungen, elektronische Haushaltsgroßgeräte, Fahrzeuge, Film und Foto, digitale Geräte, Schmuck, Uhren, Musikinstrumente und vergleichbare Geräte. Diese Güter werden wie industrielle Investitionen in langjährige Anlagen behandelt und den gleichen Abschreibungsregeln unterworfen, wie es in einem Privatunternehmen betriebswirtschaftlich üblich ist. "Dabei wird auch das Konzept der Abschreibungen, als Maß für die Nutzung des Gebrauchsvermögens in einer Periode, auf die Haushaltssphäre übertragen." (Schmalwasser u.a., 568) Hierbei muss weiter berücksichtigt werden, dass viele Privatpersonen Gebrauchtgeräte kaufen, für die nur noch eine verkürzte Lebensdauer berechnet werden kann, und auch eine Doppelnutzung für den privaten Gebrauch und bezahlte Arbeit vorkommt (wenn etwa ein Auto genutzt wird für Fahrten zur Arbeit und für den Urlaub). Der beruflich genutzte Anteil ist bei Betrachtung des persönlichen Konsums herauszurechnen. Weil viele Produkte im Laufe der Zeit billiger beschafft werden können, kann das Gebrauchsvermögen nicht auf Basis der ursprünglichen Anschaffungspreise bewertet werden, sondern jeweils zu Wiederbeschaffungspreisen. Der Einfachheit halber wird unterstellt, dass sich die Nutzungsmöglichkeiten im Laufe der Lebensdauer eines langlebigen Geräts nicht ändern, also z.B. jedes Jahr die gleiche Menge Wäsche gewaschen oder mit einem Auto die gleiche Menge Kilometer gefahren werden. Jeder, der eine Hausratsversicherung abgeschlossen hat, kennt diese Art der Berechnungen.

Konkret werden die Gebrauchsgüter nach ihrer durchschnittlichen Lebensdauer in unterschiedliche Gruppen aufgeteilt. Für jede Gruppe werden statistisch die jährlichen Käufe und Abschreibungen berechnet. Ausgaben für Wartung und Reparaturen bleiben unberücksichtigt. Beispiele für durchschnittliche Nutzungsdauern: Möbel 18 Jahre, elektrische Großgeräte 16 Jahre, Fahrzeuge 11 Jahre, Foto und Film 8 Jahre, Computer 6 Jahre, Musikinstrumente 21 Jahre, Schmuck und Uhren 46 Jahre (Schmalwasser u.a., 571). Im Ergebnis betrug 1991 in Deutschland das gesamte Brutto-Gebrauchsvermögen 1.049 Mrd. Euro und stieg bis zum Jahr 2010 auf 1.863 Mrd. Euro zu Wiederbeschaffungspreisen. Die Zukäufe schwanken und erreichten ihren Höchstwert 1991-95 (Schmalwasser u.a., 572). (Das ist ein Anteil von ungefähr 11% des gesamten volkswirtschaftlichen Vermögens einschließlich Fabriken, Häusern, immateriellen Anlagegütern etc. mit leicht fallender Tendenz, Schmalwasser u.a., 574.) Seither lebt ein ständig größer werdender Teil der Bevölkerung von der Substanz. Jeweils ein Drittel des Gebrauchsvermögens liegt bei (i) Fahrzeugen, (ii) Möbeln und Teppichen sowie (iii) sonstigem. – Im internationalen Vergleich sind gegenüber Deutschland nur die Haushalte in den USA besser ausgestattet, während das Vermögen pro Kopf im Vergleich zu Deutschland bei Berücksichtigung der Kaufkraftparitäten in Italien 92%, in Kanada 73%, in Australien 57% und in Japan 59% beträgt (Schmalwasser u.a., 576).

Für den Wohlstandsindex werden wie in der Betriebswirtschaft üblich Nutzen und Neukauf verglichen. Der Nutzen wird gemessen in den jährlichen Abschreibungen der Anschauufng. In Summe ergibt sich das überraschende Ergebnis, dass über alle Jahre hinweg die Kosten höher als der Nutzen lagen. Das liegt daran, dass Haushaltsgegenstände entsorgt und durch neue Geräte ersetzt werden, bevor sie vollständig abgeschrieben waren, oder in anderen Worten: Sie werden nicht entsprechend ihrer Lebensdauer genutzt, sondern vorzeitig ersetzt. Nur in Jahren, in denen es ökonomisch schlechter geht, muss auf den vorzeitigen Neukauf verzichtet werden.

nwi 2.0 konsumgüter

Quelle: Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 96

Das bedeutet im Klartext; "Die Kosten für Neuanschaffungen überwogen den jährlichen Nutzenstrom aus dem Bestand an Gebrauchsvermögen" (Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 96). Hierbei ist noch nicht einmal berücksichtigt, ob es zu Mehrfachanschaffungen wie Zweit- und Drittautos, für jedes Zimmer einen eigenen Fernseher einer Vielzahl von Uhren etc. gekommen ist. Diese Differenz ist bis 2003 stetig abgebaut worden und steigt seither wieder. Das hat unterschiedliche und zum Teil gegenläufige Gründe: In vielen Fällen ist eine Sättigungsgrenze erreicht. Produkte werden bisweilen länger genutzt, was bei Berücksichtigung des Herstellungsprozesses umweltschonend ist, aber es können auch frühzeitig neue Produkte gekauft werden, die weniger Ressourcen verbrauchen.

Der Bericht scheint nach meinem Eindruck nicht zu berücksichtigen, dass es einen Anschaffungszyklus von ca. 8-10 Jahren gibt. Das ist erst an einem größeren Zeitraum zu erkennen. Als Beispiel seien die Personenwagen genannt, die nach wie vor die wichtigste Einzelposition im Gebrauchsvermögen der Privatpersonen bilden. Aus den USA liegen folgende Daten vor, die sicher in vergleichbarer Weise auch auf Deutschland übertragen werden können.

Neuanmeldung von Autos in USA

Neuanmeldung von Personenwagen in US in Mio. Stück, per Okt. 2017, Quelle: Trading EconomicsCar Registrations

Die Tabelle zeigt sowohl einen Zyklus als auch einen sinkenden Trend, und das obwohl die Bevölkerung der USA im Unterschied zu Deutschland deutlich stärker wächst. Um den Trend zu erkennen, sind bewusst nicht die steigenden Kosten für ein Auto berücksichtigt, sondern nur die Anzahl von Neuzulassungen. In Deutschland sind die durchschnittlichen Kosten für ein neu gekauftes Auto von 8.000 € 1980 auf 28.000 € 2015 gestiegen (Focus vom 19.8.2015). Das hat zu tun mit dem Trend zu wesentlich teureren Sport Utility Vehicles (SUVs) mit entsprechend größerem Spritverbrauch, deren Anteil am Bestand aller Autos sich von 1,9% 2012 im Verlaufe von 4 Jahren auf 4% 2016 verdoppelt hat (statistica.com). 2016 betrug der Anteil der SUVs und Geländewagen an allen Neuzulassungen 21,3% (Wikipedia, abgerufen am 8.1.2018). Wie das weiter gehen wird, zeigen die USA. Dort waren 2017 die drei meistgekauften Autos Pick-ups, mit gegenüber SUVs nochmals vergrößerten Abmessungen, Gewicht und CO2-Emissionen (auto-motor-sport vom 6.1.2018).

Fahrtkosten Das ergibt in Summe höhere Aufwendungen für die Fahrten mit dem PKW. Der Kostenanstieg geht sowohl auf steigende Preise für Autos wie auch auch ständig größer werdende Entfernungen von der Wohnung zur Arbeitsstätte zurück.

nwi 2.0 fahrtweg

Quelle: Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 100

Datenquelle: Das statistische Bundesamt liefert die Gesamtausgaben von Haushalten für Verkehrsausgaben. Das DIW ermittelt eine Aufteilung der Verkehrsausgaben nach den Arten, darunter auch die beruflichen Fahrtwege.

Schäden von Verkehrsunfällen Anders als im BIP werden die Kosten für Verkehrsunfälle nicht als Vergrößerung der Wirtschaftsleistung gerechnet, sondern umgekehrt negativ von der Wirtschaftsleistung abgezogen. Sie vergrößern zwar für diejenigen den Umsatz, die von Verkehrsunfällen profitieren, zeigen aber eine negative Entwicklung des Wohlstands. Erfreulicherweise sind diese Kosten im Laufe der Jahre stetig rückläufig.

nwi 2.0 verkehrsunfälle

Quelle: Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 104

"Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) ermittelt jährlich die volkswirtschaftlichen Kosten von Straßenverkehrsunfällen." (Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 102)

Schäden durch Kriminalität Ähnlich ist es bei der Kriminalität. Kaum jemand macht sich klar, dass sich Kosten für die durch Kriminalität verursachten Schäden positiv auf das BIP auswirken. Für den hier vorgestellten Index NIW werden sie negativ abgezogen. Auch diese Kosten gehen erfreulicherweise zurück.

nwi 2.0 kriminalität

Quelle: Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 107

Grundlage ist die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) des Bundeskriminalamtes, dort Tabelle 07 – "Aufgliederung der Straftaten nach der Schadenshöhe" (Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 106).

Kosten des Alkohol-, Tabak- und Drogenkonsums Das gleiche gilt für Ausgaben für Drogen. Sie tragen zum BIP bei, werden aber in dem hier vorgestellten Index abgezogen. Insgesamt sind sie erstaunlich konstant.

nwi 2.0 drogen

Quelle: Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 111

"Eine regelmäßig veröffentlichte Zeitreihe zu dieser Komponente besteht nicht, wohl aber eine Reihe von Studien zu einzelnen Folgekosten, insbesondere des Alkoholkonsums, in der Bundesrepublik Deutschland." (Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 109) "Eine Interpretation des Verlaufs ist aufgrund der oben erläuterten Datenlage nicht möglich. Die geschätzten jährlichen Schadenskosten von rund 60 Milliarden Euro weisen jedoch deutlich darauf hin, dass der Missbrauch von Alkohol, Tabak und (illegalen) Drogen eine signifikante Beeinträchtigung der gesellschaftlichen Wohlfahrt darstellt." (Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 111)

Luftverschmutzung Die Kosten für Luftverschmutzung fallen überraschend. "Dazu gehören Gesundheitskosten, bewertete materielle Schäden (z.B. an Bauwerken) und bewertete Vegetationsschäden, einschließlich Waldschäden und Ernteausfällen, sowie Auswirkungen auf die Biodiversität." (Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 127) Mir bleibt allerdings unklar, wie im Einzelnen diese Kosten erhoben wurden.

nwi 2.0 luftverschmutzung

Quelle: Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 130

Grundlage sind Statistiken des Bundesumweltamts. Während die Kosten für Luftverschmutzung deutlich gefallen sind, sind die Kosten für Belastungen von Wasser und Boden konstant.

Lärm

nwi 2.0 lärm

Quelle: Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 134

Das statistische Material ist unvollständig. Es gibt Aussagen über den Wertverlust von Immobilien bzw. Mietzinsausfällen und die Studie von INFRAS/ISI/IER (2007) Externe Kosten des Verkehrs in Deutschland. Aufdatierung 2005 (Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 132). Überraschenderweise ist im Personenverkehr die Lärmbelastung im Schienenverkehr etwas höher als im Straßenverkehr, im Güterverkehr dagegen beim Straßenverkehr dreimal so hoch wie auf der Schiene (Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 133).

Verlust bzw. Gewinn durch Biotopflächenänderungen Die Datenlage ist schmal. Es konnten "zunächst nur Daten der satellitengestützten Bodenbedeckungserfassung 'CORINE land cover' (CLC) verwendet werden" (Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 137). Die Flächen werden in unterschiedliche Kategorien aufgeteilt und bewertet: Ackerland 0,18 €/qm, Wiesen und Weiden 0,37 €/qm, komplexe Parzellenstruktur 0,18 €/qm, Laubwald, Nadelwald und Mischwald jeweils 2,89 €/qm, Waldrand 9,12 €/qm, Flächen städtischer Prägung, Industrie und Gewerbefl., Abbaufl., städtische Grünanlagen ... jeweils 0,00 €/qm (Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 138f). Nicht bewertet werden "unter anderem Wald-Strauch-Übergangsstadien (CORINE ID 324), Flächen mit spärlicher Vegetation (333), natürliches Grasland (321) und Heiden (322) und Torfmoore (412) sowie alle Wasserflächen (5...). Dies ist problematisch, weil es sich dabei zum Teil um sehr wertvolle Biotope handelt" (Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 139).

nwi 2.0 landwirtschaft

Quelle: Diefenbacher, Zieschank u.a. 2013, 145

Hier liegen aussagekräftigere Daten vor und zeigen einen stetigen Rückgang jedoch mit abnehmender Tendenz.

Literatur

Rutger Bregman: Utopien für Realisten, Hamburg 2016 [2014]

Die Bundesregierung: Agenda 2030 – Ziele für eine nachhaltige Entwicklung weltweit; Link

Hans Diefenbacher, Roland Zieschank unter Mitarbeit von Dorothee Rodenhäuser: Wohlfahrtsmessung in Deutschland, ein Vorschlag für einen nationalen Wohlfahrtsindex, Dessau-Roßlau 2010 [2009], Link

Hans Diefenbacher, Roland Zieschank, Benjamin Held, Dorothee Rodenhäuser (2013): NWI 2.0 - Weiterentwicklung und Aktualisierung des Nationalen Wohlfahrtsindex. Heidelberg/Berlin, online über Google auf diversen Seiten abrufbar.

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